Chinareise 2004 - [Das Tagebuch]

21.04. 2004 Es war uns angekündigt worden, daß der Ausflug in's Gebirge zum Wildstandort von Paeonia jishanensis beschwerlich wird, und er war es auch. Jetzt, am Abend 22 Uhr im Hotelbett in Luoyang liegend, kann ich nur sagen: Ich bin völlig platt. Aber verglichen mit dem, was die Pflanzenjäger vor 100 Jahren hier durchgemacht haben, war es sicher ein Spaziergang. Wir fuhren von Jiyuan City aus nicht mit unserem komfortablen großen Bus, sondern in einem deutlich kleineren. Und es kamen jede Menge chinesische Führer mit, sodaß es ganz schön eng war. Zuerst über eine gut ausgebaute Straße, dann zweigten wir aber ab, und dort wurde die etwas schmalere, aber irgendwann sicher gute Landstraße erst gebaut. Irgendwann endete plötzlich die „Ausbaustrecke“, und dann wurde es übel. Dachten wir. Auf 600 m Meereshöhe erreichten wir die Verwaltung des Naturreservats, genannt Huang Bei Jiao Forest Farm, wo auch noch der Direktor Li Tian Bao und weitere Leute zustiegen, und ab dann waren es nur noch ganz schmale Gebirgsstraßen, auf denen wir auf 1350m Höhe hinaufgeschüttelt wurden. Neben der Straße ging es teilweise 100m steil bergab, manchmal sicher noch mehr, aber hinuntergefallen sind wir ja nie (sonst könnte ich dieses hier nicht schreiben). Nach 3 Stunden Fahrt war das zuende, und es ging zu Fuß weiter.

Ergänzung von Paige Woodward: The peony site used to be called Huang Lian Shu Forest Farm. Huang Lian Shu, I found out on Google, is a medicinal plant, Neopicrorhiza scrophulariiflora, that was given its botanical name by none other than Hong Deyuan, who is also China’s foremost authority on Scrophulariaceae, the family of snapdragons and mimulus. You can find a line drawing of it in the online Flora of China.

Auf Meereshöhe war für heute 33°C vorhergesagt, die Sonne brannte wie in Italien im Sommer, aber nach der Hälfte der Strecke kamen wir in schattige Waldbereiche. Ab dann war es nur noch ein schöner Waldweg. Wir genossen die Vegetation und die herrlichen Ausblicke auf die schroffen Berge ringsum. Viele bekannte Gartenpflanzen wachsen hier wild, Philadelphus, Deutzia, Aquilegia, Thalictrum, Epimedium, Primeln ... Aber wann kommen endlich unsere Strauchpfingstrosen? Und werden sie blühen, fragten wir uns immer wieder. Irgendwann, ich schaute schon langsam öfter auf die Uhr, ob die angekündigten 1 ½ Stunden denn nicht endlich um sind, bog der vorausgehende Forstarbeiter auch noch von dem gut gehbaren Waldweg ab und wir gingen durch wegloses Gelände einen steilen Hang hinauf. Querfeldein, oder besser gesagt durch Gestrüpp. Hinter der Kuppe waren wir dann aber da - eine ganze Schlucht voller wild wachsender Strauchpfingstrosen. Nur - die Blüte war leider gerade durch. An manchen Blüten hingen noch ein paar verwelkte weiße Blütenblätter herunter. Es waren einige Dutzend Pflanzen, 60-80 cm hoch mit nur wenigen (verblühten) Blüten je Strauch. Das Laub war deutlich weniger rundlich, als ich es erwartet hatte, sah fast aus wie das von Paeonia ostii, nur nicht ganz so lanzettlich, und auch an den Terminalblättchen gelappt, aber auch hier nur 1x. Aber schließlich hatten wir ja auch Dr. Zhou mit dabei, der den Weg von Peking extra gemacht hatte, um uns (auf Anweisung von Prof. Hong Deyuan) den Standort von Paeonia jishanensis zu zeigen.

Dr. Zhou kam dann auch mit einem abgebrochenen Zweig an, damit wir alle es von Nahem betrachten konnten. Die Stelle, an der die Pflanzen standen, war ziemlich steil abfällig, und nach der Wanderung hatte sogar ich Probleme, mich festzuhalten und kam nicht näher als auf 3 m an die Sträucher heran. Wir waren nicht schlecht erstaunt, daß er sich traute, einfach einen Stängel von der seltenen Pflanze abzubrechen. Noch kurz vorher war uns eingeschärft worden, nicht mal ein Blättchen am Wegesrand abzuzupfen, hier wäre ein streng geschütztes Reservat. Na ja.

Auf der Fahrt in's Gebirge , Stop in einem Dorf unterwegs. Bauernhäuser

Sehr häufig anzutreffen auf dem Lande: 3-rädrige Klein-LKW, Begrüßung im Naturreservat durch den Leiter Li Tian Bao

Aussteigen - ab hier wird gewandert! Vegetation am Wegesrand

Ab durch den Wald! Polygonatum, Aquilegia, Epimedium & Käfer

hinunter in eine Schlucht

... und einen Hang hinauf durch's Dickicht. Hurra! Da sind sie!

Paeonia jishanensis

Der Ausblick von Paeonia jishanensis

Dr. Zhou erklärt uns die Pflanze (Zhi Qin Zhou, Assistent von Prof. Hong De-yuan)

Alle wollen ein Photo machen!

Im Naturreservat, Alle an Bord! Auf der Rückfahrt

Blühende Paulownia unterwegs. Rosa pteryocarpa am Wegesrand

Die Straße durch's Gebirge

Wir hielten erst mal alle Siesta und verzehrten die mitgebrachten Essensrationen. Der Rückweg war deutlich beschwerlicher. Die Strecke durch den Wald hatte fast beständig bergab geführt, hinwärts fiel das nicht weiter auf, aber zurück kam ich dann doch mächtig ins Schwitzen. 3 Stunden nach Beginn der Wanderung hatte ich den Bus dann wieder erreicht. Dank Prof. Hong De-yuan und seines Assistenten Dr. Zhou haben wir unsere erste wild wachsende Strauchpfingstrose gesehen. Das ist noch nicht vielen Europäern vergönnt gewesen. Entsprechend viele Toasts gab es dann am Abend.

Nach 3 Stunden Busfahrt gelangten wir dann zu unserem bequemen Reisebus in Jiyuan, der dort am Hotel wartete, um nach Luoyang weiterzufahren. Nochmal 1 ½ Stunden Busfahrt, kurz vor 20.30 Uhr kamen wir in einem Restaurant in Luoyang an, wo uns wieder ein opulentes Mahl mit vielen lokalen Spezialitäten erwartete. Komischerweise waren 4 verschiedene Suppen dabei, von denen uns auch je eine Schale voll eingeschenkt wurde, egal, ob wir wollten oder nicht. Es schmeckte aber dann so phantastisch, daß wir uns alle furchtbar den Magen vollschlugen. Leider gab es keinen Verdauungsschnaps, heute hätte ich einen genommen.

Dann fuhren wir zum Hotel, dem Peony Plaza, mit 4 Sternen das erste Haus am Platz, Zimmer in der 23. Etage. Toll.

Luoyang bei Nacht ist überwältigend, so viele erleuchtete Wolkenkratzer hätte ich dann doch nicht erwartetet. Gut, 6,5 Mio einschließlich Umkreis bzw.1,7 Mio nur die Stadt, das ist schon was. Aber alles ist hier so bombastisch! Dabei ist es grade mal die zweitgrößte Stadt der Provinz Henan.

[22.04.2004]