[Radde, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern] Kapitel 1 Abs. VI.

Erstes Kapitel. Die Steppen der Kaukasusländer.

VI. Verbreitung der Steppen in Transkaukasien.

Die Mugansteppen S. 87. Sohirwansteppe S. 90. Südabhang des Bos-dagh S. 93. Hochsommer in der Steppe S. 94. Die Steppe im Herbst S. 96.

Wollen wir nun zunächst uns über die Steppengebiete Transkaukasiens, ihren Umfang und ihren vegetativen Charakter orientieren. Es kann das geschehen, ohne vorher die geographische Orientierung gegeben zu haben. Diese folgt nach Abschluss der Mitteilungen über jene Steppen. Betrachtet man die schmale Küstenzone, welche sich von Petrowsk über Derbent nach Baku, dem Ostfuße des [p.82:] Kaukasus hinzieht, so bietet das Terrain selbst da noch, wo es, sich verbreiternd, allmählich in das Gebirge schneidet und bis zu 600 m (2000 r. F.) Höhe ansteigt, sowohl für die Steppenflora als auch für die Halophyten die möglichst besten Bedingungen weiterer Verbreitung, denn auch das Klima entspricht dem der Steppen, wie die folgenden Tabellen zur Genüge darthun.

Hier lag also der Weg, auf welchem die Wanderungen von N. nach S. und umgekehrt von S. nach N. stattfanden. Schon wenig westlicher verlegt die rasch und hoch heransteigende, Schnee und Eis führende Kammzone der Hauptkette den Steppenpflanzen den Weg. Hier unten entlang dem Westufer des Kaspimeeres gingen sie, vom Boden und Klima begünstigt, nicht unter wie am Ostgestade des Pontus.

[p.83:] Folgen wir dieser Richtung über die Halbinsel Apscheron fort und sehen zu, wo und in welchem Umfange in Transkaukasien Steppen zu finden sind. Wir müssen dabei das Kura- und das Araxesthal aufwärts wandern bis zu den Quellen der beiden Schwesterflüsse. Wenn man mit dem Begriffe der Steppe zugleich den der räumlichen Weite verbindet, wie das doch nötig ist, so haben nur die weitgedehnten Ebenen, in denen die untere Kura, vereint mit dem Araxes, fließt, das Recht auf den Namen Steppe. Hier verschwinden auf dem Wege nach Salian, wenn man, von Adshikabul kommend, die Mugan-steppe in südlicher Richtung durchschneidet, am nördlichen Horizont die Umrisse der Hauptkette und es tauchen im Süden die Contouren der Talyscher Höhen, d. h. die Nordwestverflachungen des Alburssystems auf. Die Fußzonen beider Gebirge liegen reichlich 100 km von einander entfernt. Landeinwärts aber schneidet die Steppe, an Breite mehr und mehr einbüßend, oft unterbrochen, zuletzt nur strich- und fleckenweise, tief in das Kurathal, geht sogar in eigentümlichen Kombinationen und stark bedrängt von xerophilen Formen bis zu den Quellen der Kura hinauf. So giebt es z. B. noch nahe von den Ostsenkungen der adsharischen Gebirge am Südgehänge der achalzicho-imeretischen Wasserscheide auf linker Uferseite des Koblian-tschai weitgedehntes Hügelland, auf welchem vielerorts fast ausschließlich Andropogon Ischaemum (oft ein Vertreter von Stipa) den dürftigen Rasen bildet und sich mit Xeranthemum annuum vereinigt; ebenda bedeckt Centaurea solstitialis weite Flächen und sogar Peganum drang bis hierher vor. Freilich sehen wir daneben manche xerophil-rupestre Formen und entfernter sogar geschlossenen Coniferenwald.

Im Thale des Araxes setzt der Ostfuß vom Karabagh der Ebene und damit der Steppe die Grenze. Die letzten Umwallungen dieses Gebirgsgaues gegen NO. und SO. ernähren eine Flora, die aus Steppen- und Xerophilen-formen zusammengesetzt ist. Einen breiten Riegel schiebt das westliche hohe Meridiangebirge, welches vom Araxes in enger Schlucht durchbrochen wird, der Steppe vor. Auf der mittleren Araxesstufe werden die Steppenformen schon sehr von den Xerophilen bekämpft und vielerorts von ihnen ganz verdrängt. Wir haben es da mit einer Flora zu thun, in welcher die Stachelpflanzen Hochpersiens, von denen die Steppen an der Nordseite des Kaukasus keine Spur besitzen, die Oberhand gewinnen. Nichtsdestoweniger kommen aber auch manche charakteristische Pflanzen der Steppe daselbst vor und im Quelllande des Araxes giebt es über 1800 m (6000 r. F.) hoch gelegene Strecken, die ausschließlich von Stipa Szowitziana bestanden sind und durch ihre weite Ausdehnung mit vollem Rechte den Namen >Hochsteppen< verdienen.

Ich will hier zunächst die Tabellen einschalten, welche dem Leser die Möglichkeit geben, sich über die klimatischen Grundzüge des Kura- und Araxesthales die richtige Vorstellung machen zu können. Schroff stehen diese den pontischen und südkaspischen gegenüber, schließen sich dagegen für die tieferen Lagen vortrefflich an die Daten, welche für manche Plätze an der Nordseite des Großen Kaukasus und für Derbent ermittelt wurden.

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Die Mugansteppen. Wir kehren nun zur breiten, öden Mugansteppe zurück. In ihr gesellt sich zum Wermut- und Halophytentypus nur an den ausgesüßten Rändern, entlang dem Gebirge, deren Boden zugleich durch Absatz nahrhafter Stoffe verbessert wurde, der Schwarzerdentypus. Zu diesen dreien kommt als vierte Formation ausgedehntes Rohr- und Schilfgebiet (auf erhöhtem Boden auch Arundo donax), wie es in solcher Kraft weder im Mündungslande des Terek noch in dem des Kuban zu finden ist, und das den Vergleich mit der entsprechenden Flora im unteren Wolgadelta nicht fürchten darf.

Ich habe in meinem Werke: >Reisen an der persisch-russischen Grenze< (Leipzig, Brockhaus 1886) die Flora der Mugansteppe ausführlich besprochen; ich kann das damals Gesagte nicht anschaulicher schildern und lasse die bezüglichen Stellen deshalb hier folgen. Ende Mai wurden die Skizzen an Ort und Stelle niedergeschrieben.

Auf der Strecke Weges von Prischib bis Astrachanka verändert sich die Vegetation der Ebene. Es verschwindet nämlich die feste, zusammenhängende Narbe, welche vornehmlich durch Klee und Medicago erzielt wurde, und es beginnt schon ein eigenartiger Steppentypus, bei welchem, wie das namentlich an den Rändern der Mugan der Fall ist, die Flora niemals auf weitere Strecken hin das Erdreich ganz verdeckt. Als Burianpflanzen dominieren noch immer die auch im lenkoranschen Küstengebiete vorwaltende Centaurea solstitialis und C. iberica; die Carduaceen dagegen treten massenhaft erst später auf. Die Bestände jener stachligen Centaureen waren dicht und hatten durchschnittlich 2 1/2 Fuß Höhe erreicht. Hier und da stehen namentlich dem Gebirgs-fuße näher Gebüsche, besonders Wildrosen und Weißdorn, und an solchen Stellen findet sich dann immer auch ein kleines Dickicht von Sambucus Ebulus. Aber dem letzteren will es hier gar nicht mehr gefallen, er bleibt niedrig. Während wir ihn am Waldesrande jetzt schon 3—4 Fuß hoch und blühend antreffen, hat er hier nur 1-1 ½ Fuß Höhe. Das lässt sich erklären. Diese Plätze trugen einst lichten Wald, welcher den Sambucus gegen die Sonne schützte, jetzt dagegen brennt diese durch die letzten Überreste desselben gar zu arg auf ihn nieder und er gedeiht nicht mehr. Ohne Zweifel wäre er schon lange ganz eingegangen, wenn die starken, ausdauernden Grundstöcke nicht gar so zähe Lebenskraft besäßen und tief im Boden lägen. Es beginnen nun nach und nach einige für die Mugan charakteristische Pflanzen zu erscheinen (im Gegensatze zur Flora des nassen Talyscher Tieflandes). Es [p.88:] sind namentlich Gramineen, so Avena sterilis, zuerst vereinzelt, dann in kleinen Gruppen. Auch Hordeum bulbosum wird bemerkt und endlich steht streckenweise verbreitet, als sei es absichtlich gesät, Lolium perenne var. Marschalli. An anderen recht umfangreichen Plätzen blüht schon Cichorium Intybus ausschließlich und lässt sie in weiter Ferne hellbläulich erscheinen; dann giebt es wieder geräumige Gebiete, auf denen wir fast nur Eryngium campestre sehen, oder es wuchern auf besserem Boden ausdauernde Süßholzpflanzen in gedrängten Beständen. Wo ehedem brackiges Wasser stand, sehen wir jetzt wieder auf dem hellgrauen Boden die gemeine Iris Güldenstädtiana immer in unterbrochener Gruppierung, oft gedrängt, wo die Grundstöcke sich lange erhielten, dann wieder vereinzelt, wo wir es mit Samenpflanzen zu thun haben. Auf solchem Boden ist von Trifolium keine Rede mehr und es macht sich auch hier das obwaltende Gesetz für die Gruppierung der Steppenpflanzen sehr geltend, nämlich das sich gegenseitige Ausschließen der Arten und daher das Vorkommen derselben in oft insularer Umgrenzung und Isolierung. Ich habe wohl den größten Teil der im russischen Reiche liegenden Steppen gesehen und kenne deshalb aus eigener Anschauung die mannigfachen Modifikationen ihrer Boden- und Floraformen. Aber in Bezug auf jenes Steppengesetz, nach welchem sich das Vorkommen der Arten reguliert, kenne ich keine zweite Gegend, die es so klar zur Anschauung bringt, wie der südliche Rand der Mugan. So sah ich z. B. weite Strecken auf alter Brache und im Weizenfelde sehr dicht mit Gladiolus segetum besetzt. An anderen Plätzen bauten zwei noch nicht blühende, spirrig verästelte Malva-Arten (namentlich M. sylvestris) förmliche Miniaturwäldchen auf, auch sie duldeten wenig Anderes um und unter sich. Ich vermisste hier aber diejenigen Steppenpflanzen, welche im Frühjahr die Flora der schwarzerdigen Gebiete der ponto-kaspischen Tiefländer charakterisieren, so die bekannten Boragineen, Cruciferen und Salvien; von letzteren sah ich nur selten S. sylvestris. Ebenso fehlten hier vollkommen jene lästigen Wegpflanzen der südrussischen Steppe, wie Polygonum aviculare und Xanthium spinosum, dagegen bemerkt man oft noch die fest im Boden sitzende Senebiera coronopus, welche, wie es scheint, hier wie auch anderwärts im Talyscher Tieflande gerade die Wegränder aufsucht. Ebenso wenig bemerkte ich Verbascum phoeniceum und Stipa-Arten. Auch weiter gegen NW. in der Umgegend von Belasuwar machte ich wenige Tage später am Südrande der Mugan Exkursionen, welche mir die Flora im letzten Frühlingsstadium ihrer Entwicklung zeigten. Da lag der Hügel Gölli-tapa, d. h. Quellenhügel, an dessen Fuß sich Quellengrund befindet. Ich sammelte an diesem nassen Platze Catabrosa aquatica, Phalaris canariensis, Juncus bufonius und Apium graveolens. Auf dem Wege zu diesem Hügel konnte man sofort die Beobachtung machen, dass hier die Mugan-Steppenflora sich in zwei verschiedenen Hauptformationen herausbildet. Die erste von ihnen besteht wesentlich aus Gramineen, nämlich den schon erwähnten höher wachsenden, Avena sterilis, Hordeum bulbosum, Lolium perenne, zu denen sich auch Bromus confertus und seltener Poa bulbosa var. vivipara gesellen. Der Boden wird von ihnen [p.89:] nur dünn bestanden und weist auch noch niederliegende, harte Gräser auf, wie z. B. Sclerochloa dura und Aegilops squarrosa. Diese Grasgebiete, jetzt schon meistens samenreif, erscheinen wie erhöhte gelbe Flecken von ganz unregelmäßiger Form, bald mehr zusammenhängend und ausgedehnt, dann wieder sehr beschränkt, zerrissen in den Contouren und selten als große Massive. Zwischen ihnen sieht man überall schwarzerdigen Steppenboden, auf welchem vorwaltend nur niederliegende Pflanzenarten wachsen, welche niemals in die Gramineengebiete treten. Da sind es namentlich Momordica Elaterium, Capparis spinosa, Malva Scherardiana, Malva borealis, Althaea hirsuta, Hibiscus Trionum, Erodium ciconium, E. oxyrrhynchum, Glaucium corni-culatum, Euphorbia falcata, Torilis nodosa und auch Senecio vernalis, die alle den Boden nie ganz verdecken. Hier ist auch die hochwachsende Eremostachys laciniata und ein alter südrussischer Steppenbekannter, dem es aber gar zu heiß und trocken ist, nämlich Phlomis pungens; ihre Blätter fand ich welk, fast zusammengelegt, klein, ihre Blumen spärlich und ihren Wuchs elend, kaum 1 Fuß hoch. An anderen Stellen wird die Steppenflora anmutiger und vielgestalteter. Nach den vorwaltenden Arten lassen sich mindestens drei Typen oder Formationen feststellen.

1. Die Achillea-Gebiete, auf denen die gelbblühende Achillea pubescens neben A. setacea herrscht. Eine Anzahl kleiner Leguminosen, so Medicago orbicularis, M. minima, M. falcata, Trifolium spumosum, T. subterraneum und T. parviflorum, lagern am Boden. Zwischen ihnen bemerkt man Caucalis tenella und Hypecoum pendulum. Höher heben sich Calepina Corvini, ein jetzt erst treibender- holziger Astragalus, Linaria micrantha, Thlaspi perfoliatum, Bupleurum Gerardi, Pterotheca bifida, das schön dunkelviolett blühende Delphinium hybridum var. hirtula, Haplophyllum villosum, Allium rubellum und Melandryum pratense. Niedriger bleibend, aber aufrecht stehend bemerkt man Lamium amplexicaule und etliche Alyssum-Arten. Keine der erwähnten hochwachsenden Arten, auch nicht Delphinium, erreichen hier mehr als 12—15 Zoll und werden nur um ein Geringes von den Schafgarben überragt. Einen solchen Typus der Steppenflora habe ich in so rein ausgesprochener Form sonst nirgends gesehen. Der an anderen Stellen vorwaltende Mohn fehlt hier fast ganz und es giebt in diesen Achillea-Steppen keine einzige hochwachsende Art.

2. Abwechselnd mit solchen Strecken finden wir die reizenden, oft lang hingezogenen Mohnsteppen. Auch auf ihnen bildet die Vegetation niemals eine Narbe. Drei Mohnarten, Pap. hybridum typ. und var. apulum, P. Rhoeas var. strigosum und P. commutatum, walten vor, beherrschen größere Strecken vollkommen und erreichen ebenfalls höchstens 1 - 1 ½ Fuß Höhe. Die gelbe Achillea tritt oft in die Mohnbestände ein, in denen die weißfilzige Anthemis candidissima var. longepapposa besonders auffällt und Sisymbrium Loeselii, ebenfalls klein bleibend, gewisse Reviere ausschließlich beherrscht. Hier finden wir auch das spirrig hochgebaute, fast blätterlose Delphinium divaricatum und ab und zu eine Salvia viridis. Ich vermisse aber die Gypsophila-Arten, doch [p.90:] treten vereinzelt sowohl Carduus cinereus als auch Onopordon in die Mohnflächen; ab und zu sieht man auch die Grundblätter von Statice Gmelini. Sehr macht sich in diesen Mohnfeldern der Mangel hoher Umbelliferen wie Prangos und Cachrys bemerkbar.

3. Die eigentliche Wermutsteppe, welche die breite Zone zwischen den Halophytengebieten und den vorher geschilderten einnimmt. Diese ruhte noch. Die ausdauernden Artemisia-Arten, A. maritima, A. fragrans, A. scoparia, begannen erst zu treiben, darunter gab es auch eine stark duftende, dunkelgrüne. Die Wermutsteppe lag noch tot da. Hier und da eine Peganum-, eine Zygophyllum-, eine Capparis-Staude, überall die verwetterten, spirrigen, schwärzlichen, besenartigen Gestrüppe der vorjährigen Wermutpflanzen.

Auch der Ackerboden bietet hier außer den beiden gemeinsten Cruciferen: Brassica Rapa var. campestris und Rapistrum rugosum var. laevis etliche andere Species, die sich auf den Feldern regelmäßig ablösen. An solchen äußersten Kulturstätten, die ca. 4 km östlich von Belasuwar gelegen, gediehen Weizen und Gerste ausgezeichnet, die schweren Ähren neigten sich jetzt schon (24. Mai) tief und harrten der Schnitter. Zwischen diesen Feldern gab es, wahrscheinlich auf alter Brache, fast ebenso große, die ausschließlich von Silybum Marianum, auch von Onopordon und Carduus cinereus bestanden waren. Die schöne Marianendistel blühte nur noch hier und da, der schwere Samen war reif und ließ bei leisester Berührung den brüchigen Pappus fallen. Das waren 4—6 Fuß hohe Distelwälder; ihre Dichtigkeit erklärt sich leicht durch die Schwere der Samen, welche direkt zur Erde fallen. Auch gab es ganze Felder, auf denen fast ausschließlich Avena sterilis wuchs. Die Pflanze gilt namentlich als gefährlich für die Pferde, da die scharf behaarten Grannen im Schlunde haften bleiben und Entzündungen hervorrufen sollen.

Schirwansteppe. Um dem Leser die Steppen weiter aufwärts im Kura-thale zur Kenntnis zu bringen, schalte ich hier das ein, was ich zu wiederholten Malen im Frühling unweit der Eisenbahnstation Jewlach, also in den Schirwansteppen zwischen Kura und Kaukasus, sah, und füge phänologische Daten hinzu, welche über die Entwicklung der Vegetation in normalen Jahren Auskunft geben. Hier wie an vielen anderen Orten im Kurathale beeinträchtigte da, wo Bewässerung möglich, die Kultur den reinen Steppencharakter mehr oder weniger. Die Landwirtschaft wird meistens in primitiver Weise betrieben. Weideland und Ackerboden muss man vermeiden, wenn sich das Steppenbild in ursprünglicher Reinheit zeigen soll. Jewlach liegt 25 m (82 r. F.) über dem Schwarzen Meere, die Breite der Ebene zwischen beiden Gebirgen mag 80 km betragen, wir befinden uns östlich von der Station, ca. 18 km entfernt am Hügel Geok-tepe auf dem Gute des Herrn SCHELKOWNIKOW. Die vordere, sterile Terrasse des Bos-dagh-Rückens tritt bis auf 4—5 km an diesen Hügel. Der Boden der Ebene besteht aus einem gleichmäßigen, gelbgrauen Lehm ohne Steine. Er wird vom Wasser nur oberflächlich erweicht und ist dann schlickig und klebend. Selbst nach der nassen Winterzeit und dem anhaltenden Regen im Frühjahr war dieser Boden an der Oberfläche kaum 6 Zoll [p. 91:] durchfeuchtet, tiefer ganz trocken und hart. Das konnte man deutlich an einem 4 m tiefen Loche sehen. Dieses hatte man ausgegraben, um während der heißen Sommerzeit verschiedene Getränke kühl zu stellen. In diesem Lehmboden findet man keine Landschneckenreste, aber gegenwärtig lebt oben auf der Steppe Helix derbentina Kryn., wir fanden sie tot auf dem Boden sowohl als auch lebend an den Holzgewächsen. Im weiteren Umkreise verleiht, namentlich auf der rechten Seite der Kura, lichtes Tamarixgebüsch, Alhagi und Glycyrrhiza [Anm.#1: strichweise auch G. echinata] der Ebene den vegetativen Charakter. In zerrissenen Flecken treten auch Maquis von Paliurus auf. Glycyrrhiza glabra ist abwärts von Jewlach so gemein, dass es bei Laki (ca. 30 km von unserem Platze) sowohl auf Süßholz als auch auf Lakritzen en gros seit 1886 exploitiert wird. Die Produktion an drei Plätzen, Laki, Jelisabetpol und Udshari, wuchs in kurzer Zeit so rasch, dass es den Leser wohl interessieren wird, einige Details darüber zu erfahren. Zwei Griechen, GISI und CHRUSAKI, fingen das Geschäft 1886 an. Ihnen folgten 1886 die Engländer MAC ANDREWS, FORBES und Urhardt. Im Jahre 1892 produzierten die ersteren 835.000 Pud, die letzteren 1.600.000 Pud trockene und gepresste Wurzeln, im ganzen also 2.435.000 Pud im Werte von 519000 Rbl. Der Einkaufspreis stieg im Verlaufe von sechs Jahren von 10—15 Kop. auf 20—22 Kop. pro Pud. Der Markt befindet sich in Newyork, bis wohin das Pud bei einem Preise von 1 Rbl. 45 Kop. bis auf 1 Rbl. 80 Kop. zu stehen kommt. Seiner Güte nach reiht sich das kaukasische Süßholz an das syrische, das kleinasiatische ist besser, das spanische ist das beste. In Udshari und Jelisabetpol siedet man Lakritzen, der nach London exportiert wird [Anm.#2: J.Segal, Die Süßholzwurzel und ihre Ausbeutung im Jelisabetopolschen Gouvernement. Schriften der kaiserl. kauk. Landwirt.-Gesellsch. Tiflls, 1893, russ. und Timofejew, Bericht, ebenda.].

Dergleichen findet nirgend sonst in den Kaukasusländern statt, obwohl die Pflanze vielerorts sehr verbreitet ist. Das durchgreifende Auftreten von Glycyrrhiza verleiht der Steppe hier einen eigentümlichen Charakter, in noch viel höherem Grade, aber beschränkter an Ausdehnung, thut das Asphodeline lutea, welche ganz reine Bestände bis hart zum Rande der erwähnten vorderen Bos-dagh-Terrasse bildet. Dies ist der einzige Platz im Kaukasus, soweit ich aus eigener Anschauung urteilen darf, der an das massenhafte Auftreten der Asphodelinen an den Ufern des Mittelmeeres erinnert. Durch diese beiden Elemente zeichnet sich die besagte Steppe aus. Ich will nun die hier gesammelten Arten der Frühlingsflora nennen; aus dem Verzeichnisse geht hervor, dass die meisten Arten auch in den Steppen an der Nordseite des Gebirges vorkommen. In normalen Jahren (ich notiere für 1894) ist der Entwicklungsgang der Vegetation an dem Hügel von Geok-tepe folgender:

Neuer Stil.

Februar 11. Merendera caucasica blüht.

> 22. Viola odorata und V. sp. blühen noch nicht, aber stark in Knospen.

[p.92:] Februar 24. Erstes Veilchen (odorata), die Steppenfläche Wird stellenweise grün, an den Bäumen schwellen die Knospen.

März .4. Starker Schneefall.

> 9. Knospen an Weiden, Pappeln und Fraxinus geplatzt.

> 14. Kornelkirschen und Rüstern (Ul. campestris) blühen.

> 18. Morus alba hat die Knospen geplatzt.

> 21. Mandeln und Pfirsiche beginnen zu blühen.

> 23. Beide stark in Blüte.

April 10. Albizzia Julibrissin und Ziziphus vulgaris noch wintertot, kaum Saft in den Astspitzen.

>> An Granaten schwellen die Knospen, Cypressen blühen.

>> Prunus divaricata beginnt zu blühen, Blatt ¼ Größe.

>> Birnenbäume blühen, Äpfel noch nicht.

>> Syringa persica, Blatt 1 Zoll lang.

>> Ficus Carica, stark im Saft, Endknospen grün, groß.

>> Ailanthus ebenfalls, Endknospen kupferrot.

>> Mandeln und Pfirsiche abgeblüht.

>> Kubus ulmifolius treibt aufs neue, 1 Zoll lange Blätter.

>> Ulmus campestris hat ausgewachsene Samen.

>> Marrubium peregrinum und Hyoscyamus niger 1 Fuß hoch.

Die Einsenkungen der salzhaltigen Bodenstellen, welche feucht und von beträchtlichem Umfange sind, erscheinen um diese Zeit ganz kahl. Alles brach da während des Winters zusammen und wurde vom Sturm fortgefegt. An den Rändern solcher Plätze sieht man alte Grundblätter von Statice Gmelini in schmutzig graubraunen Rosetten am Boden, im Centrum derselben erhielten sich die zähen, abgetrockneten Blütenstiele, die oben seitwärts fein und spirrig geteilt sind. Neue Grundblätter treiben hervor. Auf etwas erhöhtem und weniger salzigem Boden stehen die vorjährigen Astgerüste von Zygophyllurn und harten Salsolen 2—4' hoch, sie sind von trüber grauer Farbe. Unten am Boden tritt an ihnen die neue Belaubung hervor, welche bei Zygophyllum an den jochig gebauten fleischigen Blättern leuchtend grün ist, an den anderen grau, rötlich und braunviolett.

An eben diesem Tage, dem 10. April 1894, stellte sich die Frühlingsflora bis zur Bos-dagh-Terrasse folgendermaßen dar: Auch hier bestanden kleine Liliaceen und Cruciferen die Ebene. Gagea reticulata, Ornithogalum umbellatum und tenuifolium zwischen hellgelb blühender Chorispora iberica und weniger eleganter Ch. tenella. Gedrängte Gruppen von Alyssum minimum, A. calycinum und Meniocus linifolius, Capsella Bursa pastoris, Lepidium perfoliatum und Draba (vereinzelt schon in Blüte), eine Isatis-Art und hochaufgeschossen Sisymbrium Loeselii vervollständigen die Gesellschaft der Cruciferen. Dazwischen sah man die roten Blümchen von Geranium molle und Erodium cicutarium, die hochgelben von Calendula persica, Senecio vernalis und Taraxacum officinale. Höher als diese machten sich die blauen von Anchusa arvensis bemerkbar. Besonders auffallend durch ihre Größe waren die Grundblätter von Silybum Marianum, lebhaft grün mit den breiten, weißen Adlerzeichnungen; unweit davon eine Colonie von Ceratocephalus incurvus, etliche zierliche Exemplare von Hypecoum pendulum und kräftiger Ranunculus oxyspermus. Am Boden hinkriechend lebte Trigonella monantha und Veronica [p.93:] agrestis. Fügt man dazu noch etliche Euphorbia helioscopia, Lagoseris bifida, Lithospermum und sehr vereinzelt jetzt schon blühendes Phleum pratense, einige Triebe von Convolvulus arvensis und die Grundblätter von Plantago lanceolata, so wird damit der Charakter dieser Steppenflora gekennzeichnet sein. Sie schließt sich auf das innigste an diejenige gleicher Gebiete der Nordseite des Großen Kaukasus. Dieser anmutigen Frühlingssteppe blieben noch manche Spuren der bösen Winterszeit erhalten. Das zusammengebrochene graue Astwerk von Centaurea solstitialis und iberica liegen auf der Erde, die Gerüste von Cichorium und das enger ineinandergreifende Geäste von Alhagi, welches förmliche graue Besen bildet, sowie Eryngium campestre und Disteln haften noch am Boden. Etwas abwechselnd davon war die Combination der Gewächse in der Nähe der Gebüsche. Es gab da Salix triandra, Rüstern, auch geringe Eichen (Q. sessiliflora), die jetzt blühte und das Laub bis zu 1/3 seiner Größe entwickelt hatte. An solchen Stellen blühten beide Veilchen, V. alba und V. odorata. Lamium amplexicaule, Lithospermum purpureo - coeruleum waren die Nachbarn von Vinca herbacea und höher als sie hatte Melandryum pratense die Blütenstengel hervorgeschoben.

Südabhang des Bos-dagh. Bei unserem weiteren Vordringen in der Ebene gegen Norden verliert sich diese Flora nach und nach in der reinen Artemisia-Steppe und wir nähern uns dann, in ihr verbleibend, den kahlen, zerrissenen Fronten des Bos-dagh, der hier in seiner vorderen Terrasse als Artschan-dagh, d. h. >das Wachholdergebirge<, genannt wird. Kahl, braungrau, durch vereinzelte Juniperus - Gruppen für den Fernblick grob schwarz gefleckt, auf kurze Entfernungen hin oben gerade verlaufend, kleine Plateaus bildend, sonst überall zerrissen, von unzähligen steilen, kurzen Regen- und Schneewasserrinnen durchfurcht — so präsentiert sich uns dieses Gebirge in seiner äußersten Südfront. Wir bewegen uns zu ihm noch in der Ebene, sie ist bewässerbar. Die hochaufgeworfenen Ränder der Kanäle sind mit Brombeer-Gestrüpp von Rubus ulmifolius und Phragmites dünn bestanden. Hier wirft dieser Rubus das Laub fast vollständig ab, jetzt trägt er 1-1 ½ Zoll große Blättchen. Eben auf diesen erhöhten Kanalseiten treiben jetzt verwilderter Krapp und Spargel hervor. Wir kommen über alte Reisfelder, sie sind der Bewässerung wegen in unzählige kleine vertiefte Parzellen geteilt. Mit der äußersten Grenze der künstlichen Bewässerung beginnt die Wermutsteppe, »Bos« genannt, d, h. grau, in ihrem eintönigen bläulich grauen Farbentone, fast wie ein Meer so weit. Alles genau so, wie an der Nordseite des Großen Kaukasus, auch Poa bulbosa vivipara fehlt nicht.

Nun vermindert sich der Wermut. Einzelne Asphodeline lutea treten auf, sie werden immer häufiger, zuletzt dominieren sie vollständig. Dunkelgrüne, aufrecht und dicht stehende, dicke Blätter, schmal, flach, bandförmig drängen sich je aus einem Centrum hervor und legen sich um dasselbe herum bogig aus. In der Mitte steht schon der Blütenschaft mit den jetzt noch in schmalem Cylinder zusammengedrängten Blumenknospen, weißgelblich. Die fleischigen, dicken Wurzeln liegen ziemlich flach im Boden, seitwärts von der [p.94:] Hauptachse, sie enthalten den Klebstoff >Tscheresch<, dessen sich namentlich die eingeborenen Schuster und Sattler zum Kleben der Lederflächen bedienen. Die reine Asphodeline-Steppe ist ebenso gleichmäßig aufgebaut, wie die des Wermuts und hebt sich von ihr und dem nahen grauen Gebirge durch ihr dunkles Grün sehr vorteilhaft ab.

Wir folgen nun einer Hauptschlucht aufwärts im Artschan-dagh. Selten ist das anstehende Gestein deutlich geschichtet, sehr weicher Sandstein, grobkörnig, fällt hier und da gegen NW. als schmale durchgehende Schicht ein. Alles Andere ist ganz verwitterter Schiefer, an manchen Stellen lagert hoch-wandig diluviales Gerolle von nicht grobem Gefüge. Überall Regenfurchen, steile Böschungen, es fehlt nicht an salzigen Stellen. Das Ganze eriniert sehr an den Kopet-dagh Transkaspiens, ist aber geologisch wohl viel jünger [Anm.#1: Zum Miocän gehörend.]. Juniperus excelsa und J. foetidissima in Baumform und J. Oxycedrus als Strauch bestehen licht diese grauen, öden Höhen. Die Axt räumte mit den hartholzigen Wachholdern vielerorts auf. Zerbrechliche Ephedra procera und krüppelnder Atraphaxis (A. spinosa und glauca), Gebüsch von Caragana grandiflora besetzen, weitläufig zerstreut, die trocknen Gehänge. Jasminum fruticans treibt junges Laub, hier und da erhielten sich an den Ästen die schwarzen Beeren vom vorigen Jahre. Die Gebüsche und kleinen Bäumchen von Pirus salicifolia stehen in voller Blüte, während der seltene Prunus microcarpa die Früchte ansetzte. Auf dem grauen Lehmboden breiten sich die Triebe von Astragalus cruciatus (= A. Asterias) aus. Er blüht schon, aber Onobryohis vaginalis schob bis jetzt nur wenige seiner dicht behaarten jungen Stengel hervor. Ab und zu erfreut uns Caccinia glauca in voller Blüte. Alles das hat mit der Steppe nichts zu thun, es wird von ihr durch die Asphodeline-Bestände getrennt.

Hochsommer in der Steppe. Während unseres Besuches der transkaukasischen Steppen ist geraume Zeit verstrichen, der Juni ging zur Neige. Wir befinden uns wieder an der Nordseite des Gebirges in den Ebenen von Grosny, auf denen fette Schwarzerde stellenweise mächtig ist. Die Flora hat das Stadium der höchsten sommerlichen Entwicklung erreicht, die Zeit der Buriane ist gekommen, alles zartere Gewächs bereits abgestorben. Auch am Himmel hat sich zur Sommerzeit die Decoration verändert. Wenn nach erträglich kühler Nacht das Tagesgestirn heraufsteigt und das Firmament im eigentümlich verwaschenen, lichten Blau erscheint, kann man in den frühen Stunden noch deutlich die einfachen Horizontlinien, auch die dunkeln, breiten Striche, welche Weiden und Pappeln entlang den Flüssen und Kanälen ziehen, verfolgen. Aber mit dem Fortschreiten des Tages und der Hitze verschwinden auch diese dürftigen Bilder. Es flimmert über dem Boden, phantastische Scenerien erscheinen in der Ferne, sie sind leblos. Fatamorganen umgeben uns, meistens sind es weifgedehnte Seeen, die wir erblicken, über ihnen Wäldchen oder Viehheerden. Das sind optische Täuschungen, Luftspiege- [p.95:] lungen. — Und jetzt, wenn die Sonne am höchsten steht und die Hitze unerträglich wird, bäumen sich von Osten her mächtige Strato-Cumuli-Wolken, immer in isolierten Haufen, in der Fußfläche meistens geradlinig, oben bauchig begrenzt, vielfach halbkugelig zusammengeballt, angeschwollen, hellblendend an den Rändern, dunkel, bleigrau im Innern. Sie wandern langsam heran, dem Gebirgsfuße entgegen. Auf dessen Höhe lagert schon lange Regengewölk, Nebel, aber es kann nicht in die Steppe gelangen. Jene Gewitterwolken treten mit ihm in den Kampf. Kaum netzt zur Genüge alltäglich der Gebirgsregen das vorliegende Hügelland, bis in die Steppe, deren Boden überall infolge der Dürre klaffig aufriss, kommt er sehr selten. Ihn bläst mit dem heranziehenden Gewölk der trockene, starke Ostwind an. Er fegt fort, was ihm entgegentritt, unten auf der Steppe die zerbrochenen Pflanzen, oben in der Luft das drohende Gewitter, er löst die Cumuli gewöhnlich auf und die Steppe dürstet weiter — sie verschmachtet.

Der Grundfarbenton der ganzen Ebene ist ein mattes Graugelb, die Gräser des Frühlings sind nicht mehr zu erkennen, Lepidium Draba streute das feine Korn, die Schötchen sind leer und gelb wie die ganze Pflanze. Immer vereinzelt stehen die 4 Fuß hohen lichten Besengestalten mit ihrem borstig behaarten Gezweige von Anchusa italica, das schöne Blau ihrer Blüten ist verschwunden, grau und rauh erheben sich die spirrigen Gerüste, an denen unten das Blattwerk vertrocknete und abbrach. Stumpf pyramidal schoss bis 4—5 Fuß Höhe das dicht beästete Echium altissimum heran. Ein struppiger, grauweißer Pelz von stechender, straffer Behaarung hüllt die ganze Pflanze ein. Sie will mit Vorsicht angefasst sein, denn die Stachelborsten brechen wie Glas bei der Berührung ab und bleiben in der Haut haften. Anders geformt sind die 2—3 Fuß hohen Klumpen verblühter Salvia Aethiopis, auch sie werden jetzt auf kurzem Stengel getragen, an welchem die filzigen, großen Grundblätter verwelkten. Dicht gedrängt steht ihr Astwerk, mit den Spitzen sich zu abgerundeter, bisweilen zu regelmäßiger Kugelform ausbildend, graues, weiches Wollhaar hüllt es wie Filz ein. Steif halten sich diese absterbenden Pflanzen vor dem Ostwinde, so lange der Saft im Hauptstengel nicht völlig austrocknete und sie zusammenbrechen. Die Grundblätter erneuern sieh schon Ende August und überwintern am Boden ausgebreitet. Frisch und blühend blieben Anthemis altissima und A. cotula, beide einjährig, sie sind sehr gesellschaftlich und anderen Pflanzen gegenüber recht exclusiv, oft bedecken sie große Strecken allein. Von den Gramineen erhielten sich am besten Festuca ovina und elatior, Sclerochloa dura und Digitaria (Panicum) glabra, sowie Polypogon monspeliensis, an salzigen Stellen Crypsis aculeata. Will man überhaupt von »Zierpflanzen« in den Steppen zur Hochsommerzeit sprechen, so wären Inula britannica, I. germanica und Delphinium divaricatum zu nennen. Das letztere ist äußerst dauerhaft, zwar sehr spirrig verästelt und spärlich belaubt, hat aber verhältnismäßig große und tiefblaue Blumen und erhält sich bis zum November. Dann sehen wir wieder ganze Strecken mit totem Rapistrum rugosum bedeckt, hellbräunlich sind die [p.96:] kahlen, dünnen, aber harten Verzweigungen, oft unregelmäßig bogig geschwungen und mit den Reihen knopfförmiger kurzgestielter Schötchen immer abwechselnd gestellt, besetzt. Hinfälliger als diese sind die höheren Sisym-brien, welche wir zur Frühlingszeit weite Gebiete beherrschen sahen. Sie hat der trockene, heiße Ostwind schon lange getötet, zerbrochen und verweht. Vereinzelt auf diesen Totenfeldern ragt Alcea ficifolia hoch hervor, an ihr sind jetzt die großen schwefelgelben Blumen erschlossen. Auch Malva sylvestris strotzt noch in voller Lebenskraft und hier und da sehen wir 4—5 Fuß hohe Melioltus-Stauden (M. officinalis). Dazu mag noch der Echinops-Pflanzen (E. sphaerocephalus) erwähnt werden, die aber weniger die Ebene als den Gebirgsfuß bewohnen und deren bläuliche Kugelköpfe zwar schoni groß, aber noch nicht in Blüte stehen. Intensiver blau schimmert Eryngium caeruleum. Eryngium campestre ist voll ausgewachsen, es formte sich mehr oder weniger abgerundet und überdauert alle anderen Steppengewächse. Ich will mich nicht in Bezug auf Phlomis, Xeranthemum, auf Peganum, Zygophyllum und Xamthium, auch nicht über die Disteln und Centaureen wiederholen. Was von diesen Pflanzen früh kam, ist dahin; das Späte und Mehrjährige in voller Kraft. Onopordon und Cirsium lappaceum bilden strichweise wahre Wälder. Mitte Juli erreichen sie 6—8 Fuß Höhe und stehen oft so dicht, dass man in solche allseitig bestachelten Burianwälder nicht eindringen kann. Ihnen gesellt sich, gleich hoch, Artemisia scoparia zu, deren Individuen sich, obwohl einjährig, bisweilen baumförmig entwickeln, ihre dichten, linearen Blätterbündel sind von bräunlich getrübter grüner Farbe.

Die Steppe im Herbst. Unter den kleineren Centaureen, die sich mehr in die Breite als in die Höhe aufbauen, spielen C. ovina, C. diffusa und C. virgata eine Hauptrolle. Ihr durchsichtiges Astgestell, hart und dauerhaft, verteilt sich um das Hauptstämmchen in horizontaler Auslage gleichmäßig nach allen Seiten hin und so rundet sich an jedem Individuum der Umfang zu einer mehr oder weniger regelmäßigen Kugelform ab. Sind die winzigen peripherisch gestellten, rosafarbenen Blüten vertrocknet und die Pflanzen abgestorben, so trotzen sie wohl noch bis Ende September den Stürmen. Aber wenn im Oktober die ersten anhaltenden Regen den verdorrten Steppenboden erquickten und die unabsehbaren Leichenfelder der Buriane durchnässten, dann werden die Stengel mürbe, sie trocknen wieder auf, aber der erste Oststurm bricht sie um und nun kommen, dank der Kugelform der kleinen Centaiureen, die Toten in Bewegung. Die Flucht vor dem anhaltenden Winde wird immer eiliger, die Gerüste haken sich ineinander, sie packen auf ihrem Wege alles Ähnliche an und schleppen es mit sich. Das rollt und springt in fadenhohen Knäulen, das hüpft, wenn noch klein, in Absätzen und wälzt sich weit fort in großen Massen. Der Hexentanz ist in der Steppe in vollem Gange. An einem Hügel fegte der Sturm den Burian hoch zusammen oder er verankerte in kleineren Partien zwischen den aufgeworfenen Schollen eines Ackerfeldes, wenn der Sturm sich legte, und wird da reichlich lästiges Unkraut säen. So verpflanzt sich die Burianflora weithin. Mit [p.97:] Vorliebe besteht sie Brachland und überwuchert dasselbe schon im kommenden Sommer.

Die Arbeit, welche Wind und Regen im Herst begannen, wird während des Winters fortgesetzt. Die Unwetter bereiten sich langsam vor. Allseitig steigt entlang der Horizontlinie gleichmäßiges Grau herauf, es zeigt keine gesonderten Wolkenformen, aber es lastet unbeweglich und wächst mit jedem Tage mehr und mehr in die Höhe. Das dauert längere Zeit, oft eine Woche, immer trüber wird es allseitig um uns, immer fester schließt sich das Grau des Himmels in sich ab, die Temperatur fällt. In der Luft ist es ganz ruhig. Langsam fallen Schneeflocken zu Boden, weiße Decke hüllt über Nacht die öde Steppe ein. Stoppeln und Burian schauen daraus hervor. Totenstille überall. — — Der Ost räumt wieder auf — er bläst. Mit wachsender Stärke wird er bald zum Sturm. Die Schneeflocken fliehen vor ihm, er zerreißt das weiße Kleid der Steppe. Wie er im Sommer den Lössstaub und Dünensand vor sich trieb, so spielt er jetzt mit dem Schnee viele Stunden, sogar Tage lang. — Dann ist er müde und ruht aus. Klar ist der Himmel und die Sonne leckt begierig an den ausgewehten, zerfetzten Schneeflächen.

[Kapitel 2 ]

2. Das kolch. Geb.

I. Geographische Lage und physikalische Verhältnisse des Gebietes