Claudia Vierle : Camillo Schneider - Kapitel 5

5. 1913-1915: Forschungsreise nach China

5.1 Planung und Vorbereitungen der Expedition

„Schneiders Pläne gingen in die Ferne, wo englische Sammler mit großen Erfolgen gearbeitet hatten, zuerst E.H. Wilsonfür die Fa. James Veitch, dann George Forrest [Anm.#103: A. Steffen 1951: Camillo Schneider zum Gedächtnis. Deutsche Baumschule, 3. Bd., 58. ]

Der Zweck dieser Sammel- und Forschungsreisen lag vor allem in der Entdeckung neuer Pflanzen, die nach Europa eingeführt werden sollten, um sie dort zu kultivieren und, falls möglich, weiterzuzüchten. Von besonderem Interesse waren daher Gegenden, deren Klima dem europäischen ähnelte. Hier bestand die Möglichkeit, Gewächse zu finden, die sich auch in Mitteleuropa als winterhart erweisen würden und aus denen sich weitere harte, neue Gartenpflanzen erzielen ließen. In der Regel wurden derartige Pflanzensammelaktionen über Zuschüsse von Firmen finanziert, die kommerzielle Pflanzenzucht betrieben. Manche Firmen, wie z.B. die englische Gärtnerei von James Veitch, beschäftigten selbst sog. „plant-hunters" [Anm.#104: Pflanzenjäger: Der Begriff wurde in England geprägt. Von dort machten sich viele pflanzenkundige Sammler auf, die Flora des britischen Kolonialreichs zu erkunden und für das United Kingdom nutzbar zu machen.]. Die Gärtnereien und Baumschulen hofften, auf diese Art ihr Sortiment zu vergrößern und zu bereichern. Auf den Reisen wurde alles gesammelt, neben Wildpflanzen auch in Europa bisher unbekannte Kultur- und Zierpflanzen. [Anm.#105: Dieses „plant-hunting" kann durchaus als Vorläufer heutiger Expeditionen in die Regenwälder Brasiliens etc. verstanden werden, die zwar heute kein Material für neue Gartenpflanzen, sondern Grundstoffe für neue Arzneistoffe liefern sollen. Doch die Bedingungen waren und sind ähnlich. Die einheimische Bevölkerung, damals zumeist unter Kolonialherrschaft stehend, wurde höchstens in Form von Trägern oder Sammlern beschäftigt, an dem recht unsicheren Erlös des Gesammelten wurden sie nicht beteiligt. Patente auf Pflanzen waren damals noch nicht verbreitet, aber die Zuchtfirmen versuchten sich durch Verträge, die ihnen das Vorrecht des Vertriebs auf mehrere Jahre garantierten, abzusichern.] Der Erfolg solcher Unternehmungen war jedoch stets mit einem gewissen Risiko behaftet. Gelang es, die gesammelten Sämereien unbeschadet vom langen Transport in der Heimat in Empfang zu nehmen, so konnte dennoch die Keimfähigkeit des Saatgutes gelitten haben. Die Samen, die schließlich zum Keimen gebracht werden konnten, gingen häufig später an ihrem neuen Standort ein oder wuchsen zu verkümmerten Pflanzen heran, da über ihre Ansprüche zu wenig bekannt war. Doch selbst wenn die Pflanzenvermehrung mißglückte, zogen die Betriebe auf jeden Fall einen gewissen Gewinn aus ihrem Engagement. Denn das Renommee der Firma, die es sich leisten konnte, einen Forscher auszuschicken, stieg in den Augen der Kundschaft, weswegen derartige Expeditonen in ferne Länder eine ausgezeichnete Werbemöglichkeit bedeuteten. Natürlich wurden die exotischen Pflanzen auch in den Botanischen Gärten des jeweiligen Landes gezogen.

Camillo Schneider hatte die bisherige Forschungsarbeit und Sammeltätigkeit hinsichtlich neuer Pflanzen mit Interesse verfolgt. Wegen der Ähnlichkeit mit klimatischen Bedingungen Mitteleuropas waren die Gebirgslagen Ostasiens ein lohnendes Reiseziel. Reich an klimatisch geeigneten Pflanzen, nicht nur für Glashäuser, sondern auch für mitteleuropäische Gärten und Parks, schien besonders der Südwesten Chinas. Pflanzen, die dort dem rauhen Gebirgsklima trotzten, waren mit ziemlicher Sicherheit auch in Mitteleuropa winterhart.

In direkten Kontakt mit dem Resultat chinesischer Pflanzenimporte kam Camillo Schneider durch M. L. Vilmorin, der das „Fruticetum Les Barres" in Verrieres-le-Buisson betreute. Vilmorin hatte es sich zur Aufgabe gemacht, einen Teil der vielen Sämereien aufzuziehen und zu vermehren, die von dem französischen Missionar Abbe Delavay in den Jahren 1886 bis 1892 aus China nach Paris gesandt worden waren. Auch der schottische Forscher George Forrest hatte von 1900 an auf mehreren Reisen nach Fernost eine reiche Ausbeute an neuen Pflanzen zusammengetragen, von der sich Schneider besonders beeindruckt zeigte. Forrests gesammelte Pflanzenschätze gelangten vor allem in den Botanischen Garten von Edinburgh. Eine ausreichende Erprobung dieser Pflanzen im Freien stand aber noch aus. Daher war mit ihrer Verbreitung auf dem Festland nicht so schnell zu rechnen. Aus diesem Grund beschloß Camillo Schneider 1913, es Forrest gleichzutun und eine Sammelreise in dasselbe Gebiet, das schon Forrest bereist hatte, zu unternehmen. Dies waren die Kalksteingebirge von Lijiang (Lichiang) in der Provinz Yunnan (Yünnan) in Südwest-China.[Anm.#106: C. Schneider 1920: Westchinesische Blütenschätze. Die Gartenschönheit, 1. Jg., 1920. 12-13.] Nachdem das Reiseziel feststand und die D.G. die Durchführung der Reise befürwortete, konnte Schneider an die Realisierung seiner Pläne gehen.

Zunächst galt es, die Finanzierung für das gesamte Vorhaben, das mit Hin- und Rückreise über ein Jahr dauern würde, zu gewährleisten. „Schneider suchte und fand Geldgeber" für seine Reise nach Westchina und „in Dr. Handel-Mazzetti einen Reisegefährten", hieß es später in einem Nachruf recht lapidar. [Anm.#107: A. Steffen 1951: Camillo Schneider zum Gedächtnis. Deutsche Baumschule, 3. Bd., 58] Doch waren die Kosten für eine über ein Jahr dauernde Fernreise beträchtlich und überstiegen den Finanzrahmen der D.G. bei weitem, weswegen sich Camillo Schneider anderweitig um Unterstützung kümmern mußte. Das Auftun der nötigen Finanzmittel stellte sich für Schneider als eine äußerst zeit- und arbeitsintensive Angelegenheit heraus. Zu diesem Zweck sandte er an viele Mitglieder der D.G. und andere ihm bekannte solvente Privatpersonen Briefe, in denen er persönlich um einen Beitrag zur Reisekasse bat. Graf Silva Tarouca sah sich bald dazu veranlaßt, um den guten Ruf der Dendrologischen Gesellschaft zu fürchten, und bat den allzu aktiven Generalsekretär, von der Versendung weiterer „Bettelbriefe" Abstand zu nehmen. Als förderlich für die Spendenbereitschaft anderer Adliger erwies sich gewiß die Spende über 5.000 Kronen von König Ferdinand von Bulgarien. Zusammen mit den geschmähten „Bettelbriefen" und mehreren Aufrufen zu Spenden im Vereinsblatt der D.G. waren einige Privatleute schließlich bereit, Summen zwischen 1000 und 5000 Kronen beizusteuern. Bis zum Juli 1913 gelang es Camillo Schneider, auf diese Art 38.000 Kronen zu beschaffen. [Anm.#108: Archiv der HdK Berlin: Teilnachlaß Camillo Schneider.]

Weitere Gelder erhielt er durch Vereinbarungen mit Firmen, an die ein Teil des Sammelgutes abgetreten werden sollte. Hier konnte er schon auf Erfahrungen, die er im Zusammenhang mit seiner Kaukasusreise gewonnen hatte, zurückgreifen. Für die kommerzielle Anzucht und Vermehrung der zu erwartenden neuen Pflanzen aus China wurden schließlich Verträge mit drei deutschen Firmen geschlossen, [Anm.#109: C. Schneider 1914: Unsere Chinareise. Mitteilungen der D.G., Bd. 2, 149-151.] bei denen es sich nach Schneiders Überzeugung um die „besten Spezialisten auf dem Gebiete der Gehölz-, Stauden- und Alpinen-Anzucht" [Anm.#110: C. Schneider 1915: Ein Bericht, In: Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 8.] handelte. In Österreich-Ungarn fand sich keine geeignete Firma, die bereit gewesen wäre, die von der D.G. gestellten Bedingungen zu erfüllen. Daß man die Abgabe des Sammelgutes an andere ins Auge faßte, resultierte neben dem Aspekt der Reisefinanzierung vor allem auch aus der Tatsache, daß der dem Pruhonitzer Park benachbarte Vereinsgarten als zu klein für die erwartete Menge zu kultivierender Pflanzen angesehen wurde. Auch wären die für die Kultivation so vieler Exemplare anfallenden Kosten für die D.G. zu hoch geworden. So war nur ein Teil des Sammelgutes zur Aufzucht im Vereinsgarten vorgesehen.

Zunächst schrieb Schneider diverse Pflanzenvermehrungsbetriebe im In- und Ausland an. Eine der drei Firmen, mit denen die D.G. Verträge aushandeln konnte, war der Stau-denzuchtbetrieb in Ronsdorf (Rheinland) [Anm.#111: Heute zu Wuppertal gehörig.] von Georg Arends. Per Vertrag vom 7. November 1913 wurden zwischen Arends und Silva Tarouca als Präsidenten der D.G. folgende Bedingungen festgesetzt: Arends beteiligte sich mit 5000 Kronen an den Expeditionskosten und verzichtete auf eine eventuelle Rückerstattung der Summe, sollte die Reise nicht das gewünschte Resultat erbringen. Für ,Auf der Reise erbeutete Stauden (mit Ausnahme ausgesprochener Alpinen)" galt, daß die Hälfte des vermehrungsfähigen Materials jeder Staudenart Arends übereignet werden sollte. Hieraus durfte Arends sich alle diejenigen Arten aussuchen, die er als geeignet zum Verkauf einstufte. An den von ihm ausgewählten Pflanzen erwarb er sodann automatisch das alleinige Vertriebsrecht. Die D.G. verpflichtete sich dagegen, nur so viele Exemplare der von Arends ausgewählten Pflanzen zu ziehen, wie sie für eine Verwendung im Park von Pruhonitz nötig wären. Außerdem war es der Gesellschaft erlaubt, geringe Stückzahlen an „einige wenige Liebhaber" abzugeben, keineswegs jedoch in einem so großen Umfang wie über die üblichen, alljährlichen Pflanzenverteilungen an sämtliche Mitglieder der D.G. Ähnliche Verträge kamen mit den Firmen Sündermann in Aeschach-Lindau für Alpinen über die Summe von 2000 Kr. und L. Späth, Berlin-Baumschulenweg, für Gehölze über 4000 Kr. zustande, wobei sich letzterer als zäher Verhandlungspartner erwies. Späth hatte sich auch schon mit einem Zuschuß an Schneiders Reise in den Kaukasus beteiligt, konnte damals aber daraus keinen finanziellen Vorteil ziehen, da die Ausbeute an Gehölzen zu gering ausfiel. [Anm.#111a: Archiv der HdK Berlin: Teilnachlaß Camillo Schneider. ]

Es ergab sich die Gelegenheit, in Begleitung eines fachkundigen Botanikers zu reisen, ohne daß dadurch die Kosten gestiegen wären: Der österreichische Botaniker Baron von Handel-Mazzetti sollte im Auftrag der Wiener Akademie der Wissenschaften ebenfalls nach China reisen. Hierfür erhielt er von der Akademie 14.000 Kronen. Man entschied sich dazu, die Reise gemeinsam anzutreten. Schneider kümmerte sich im folgenden um die Besorgung der gesamten Expeditionsausstattung einschließlich einer umfangreichen Fotoausrüstung. Mehrere von Schneiders Reisekisten waren schließlich mit Lumiere -Photoplatten [Anm.#112: Diese Autochromplatten wurden 1903 von zwei französischen Phototechnikern, den Biüdern Auguste und Luis Jean Lumiere erfunden (Brockhaus-Enzyklopädie 1967, F.A. Brockhaus-Wiesbaden). Ab 1907 waren diese Platten im Handel. Das Verfahren beruhte „auf dem Prinzip der additiven Farbmischung auf indirektem Wege" (P. A. Kroehnert 1961: So macht fotographieren Spass. München, 15). Eine feine Farbrasterschicht aus den Grundfarben Blau, Rot und Grün wurde auf die Fotoplatten aufgebracht und von einer Schwarz-Weiß-Umkehremulsion bedeckt. Farbfilme im heutigen Sinne als Drei-schichten-Film gab es erst ab den dreißiger Jahren (Ebd., 15-16).] gefüllt. Das Lumiere-Verfahren ermöglichte es, farbige Aufnahmen anzufertigen.

Für die Erledigung der vielen Reiseformalitäten war Camillo Schneider seine Stellung als Generalsekretär von Nutzen. Dadurch hatte er für seine Angelegenheit Fürsprecher an höchster Stelle, war doch der Kronprinz von Österreich-Ungarn, Franz Ferdinand, Schutzherr und Mitglied der Gesellschaft, und Graf Silva Tarouca, der Präsident der Gesellschaft, gehörte ebenfalls dem Hochadel an. So gelang es, die Genehmigung zur zollfreien Einfuhr aller Waren nach China zu erhalten. Camillo Schneider mußte sich außerdem einen deutschen Paß, der ihn zur Ausreise nach China berechtigte, ausstellen lassen. Schließlich waren alle behördlichen Hürden überwunden, und er und Baron von Handel-Mazzetti besaßen zusätzlich zu allen notwendigen Papieren auch Empfehlungsschreiben und Zusagen, daß sie in China sowohl durch die deutschen und österreichisch-ungarischen offiziellen Stellen als von der chinesischen Regierung mit Unterstützung ihres Unternehmens rechnen konnten. Hilfe konnten sie ebenfalls von den französischen Missionsstationen erwarten. [Anm.#113: Archiv der HdK Berlin: Teilnachlaß Camillo Schneider. ] Als Reiseunterlagen im Expeditionsgebiet dienten Camillo Schneider englische Karten und Angaben des Franzosen Legendre.

Wegen der durch die Chinareise bedingten Abwesenheit ihres Generalsekretärs und Redakteurs stellte die D.G. die Publikation sowohl der „Jahreshefte" als auch der „Mitteilungen" bis auf weiteres ein. [Anm.#114: Es erschien nur noch ein H. im Jahr 1915 mit einem Bericht von Camillo Schneider über seine Chinareise.1913-1915: Forschungsreise nach China ] Ein letztes, sehr dünnes Heft der „Mitteilungen" erschien erst wieder 1915 und enthielt neben einem Vorwort von Silva Tarouca nur einen einzigen Beitrag, den Schneider über seine Reise nach China verfaßt hatte.



Herrn Camillo Schneider Wien VIII, Blindengasse 42. .

Euer Hochwohlgeboren teilen wir in Erledigung des heutigen telefonischen Gespräches sehr ergebenst mit, dass die Firma Heichardt uns die Zusendung ihrer Sachen zu morgen 3. d. M. zugesagt hat; trifft die Sendung zu dieser Zeit ein, können alle Sachen 4. d. versandt werden. Firma Rei-chardt bittet Sie, die Lumiereplatten direct in tyon aufzugeben mit dem Vermerk dass die Platten dire'ct an Nordd. Lloyd Genua, 5, Via Garibaldi, per 23. d. M. dort greifbar gesandt werden sollen. Wunsehgemass'werden wir 6 kleine Kisten a 2 Stück in eine grosse Kisten packen und so versenden, halten aber Zinkeinsätze für die grossen Kisten nicht erforderlich, da die Einsätze durch die Schlösser und vorstehenden Riegeln der kleinen Kisten, auch wenn diese in Holzwolle verpackt sind,durchgeschlagen werden. Es wird reichlich Oeltuch mit verpackt und-würden die 3'groöseri Kisten besser mit diesem ausgelegt. Wir richten uns .jedoch gern nach Ihren Wünschen und erbitten zu morgen event. Telegramm: Grosse Kisten doch mit Zinkeinsatz.

In Hochachtung ' Euer Hoghwohlgeboren erg.

Abb. 1: Schreiben des Berliner Reiseausstatters „Dingeldey & Werres", bei dem Schneider einen Teil seiner Reiseausstattung und die Reisekisten orderte. [Anm.: Archiv der HdK Berlin: Teilnachlaß Camillo Schneider.32 ]





5.2 In Yunnan und Sichuan

Abb. 12: Reiseroute Schneiders: Die grünen Punkte markieren die Reiseroute, die grünen Pfeile weisen auf Ausflüge in das jeweilige Gebiet. Die blauen Punkte kennzeichnen Schneiders Rückreise bis an den Yangtse. [Anm.#116: Kartengrundlage 1:6.000.000: Ditu Chubanshe 1971: Zhonghua renmin gongheguo fen sheng dituji Beijing (VR China), ]

Im Dezember 1913 machten sich Camillo Schneider und Baron von Handel-Mazzetti von Wien aus auf die Reise. Yunnan und der Süden von Sichuan (Süd-Szetschuan) [Anm.#117: Kursiv gedruckte Ortsnamen stehen für heute nicht mehr übliche Schreibweisen, für alte, inzwischen geänderte Namen oder für Ortsbezeichnungen, die auf keiner Karte zu finden waren.] sollten ihr Erkundungsgebiet sein. In Genua gingen sie am 25. Dezember 1913 an Bord eines Passagierschiffes des Österreichischen Lloyd, mit dem sie über Singapur nach Haiphong gelangten. Von hier aus setzten sie über Hanoi ihre Reise ins Landesinnere mit dem Zug fort. Die Eisenbahntrasse war von den Franzosen gebaut worden, deren Einflußgebiet sich bis Yunnan erstreckte.[Anm.#118: Zur Reiseroute s. Karte: Die eingezeichnete Route kann nur den ungefähren Verlauf der tatsächlichen Route wiedergeben, da Camillo Schneider oft abseits aller Wege unterwegs war und sich inzwischen die damalige Straßenführung z.T. verändert haben dürfte.1913-1915: Forschungsreise nach China 33]

Im Februar 1914 erreichten Schneider und Handel-Mazzetti die Endstation ihrer Bahnfahrt, Yunnans Provinzhauptstadt Kunming. Kunming oder Yunnan-fu [Anm.#119: Die Silbe „fu" ist eine alte, inzwischen nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für eine Provinzhauptstadt.], wie es damals hieß, war der Ausgangspunkt ihrer Sammelreise. Über die Missionsstation in Kunming stand Camillo Schneider mit Europa und den USA in Verbindung. Zwischen ihm und Alfred Rehder, der am Arnold Arboretum in Boston/Mass. bei C.S. Sargent beschäftigt war, entspann sich ein reger Briefaustausch [Anm.#120: Schneider berichtete Rehder vor allem über seine Sammelerfolge, nach Kriegsbeginn auch über seine Befürchtungen: „Freilich wenn der 2-Bund doch noch unterliegt, so gerate ich in Wien gewiß in böse Lage. Kein Geld im Lande, Gesellschaft falsch! "(Brief von Schneider an Rehder vom 27.10.1914 aus Talifu) Die Briefe Schneiders an Rehder, die sich im Original Arnold Arboretum in Massachusetts befinden, sind als Kopie dem Teilnachlaß Camillo Schneiders in der HdK Berlin beigeheftet.].

In Kunming requirierten sie Träger und Führer, mit denen sie „im März nach Norden über den Yang-tze-Strom nach Süd-Szechuan, via Hui-li-tschou (Huili, Anm. d. Verf.), Te-tschang (Dechang, Anm. d. Verf.) und Ning-yüan-fu (Xichang, Anm. d. Verf.)" [Anm.#121: C. Schneider 1915: Ein Bericht. Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 5.] zogen. Xichang war die Hauptstadt des Kien-tschang-Gebietes, wo Camillo Schneider vom 9. April bis zum 6. Mai 1914 blieb. Hier machte er seinen Angaben nach „die ersten wertvollen Sammlungen auf dem bis 4300 m hohen Gebirgszuge südlich des Sees". [Anm.#122: Ebd., 5.] Die Gebirgshänge überraschten ihn mit einer eindrucksvollen blauen Blütenpracht aus unzähligen um diese Jahreszeit erblühten Primeln.

Anschließend reisten sie in das gebirgige Herrschaftsgebiet der damals noch unabhängigen Volksgruppe, der Yi (Lolo). Im Gebiet der Yi lag der Ta-lean-shan. In dieses im Osten von Xichang (Ning-yüan-fu) gelegene Massiv waren bisher noch keine Botaniker und Pflanzensammler vorgedrungen. Hier fielen Schneider besonders die vielen verschiedenen Rhododendronarten auf, von denen einige, anders als die in Europa kultivierten Exemplare, die Größe von Bäumen erreichten. Das Hauptinteresse der Expedition galt den Urwaldresten in der ansonsten „abgebrannten Hügelwildnis".[Anm.#123: Ebd., 5.]

Über sein Zusammentreffen mit den Einwohnern schreibt er:

„Das viel verschriene Lolo-Volk erwies sich als sehr nett und so gastfreundlich, als nur seine Armut es erlaubt. " [Anm.#124: Ebd., 6.34 ]

Von dort kehrte die Karawane nach Xichang zurück. Hier wurde Camillo Schneider sowohl von der dortigen französischen, katholischen als auch von der amerikanischen, protestantischen Missionsstation zuvorkommend behandelt. Nun schickte er die ersten S amen Sendungen ab, die den Vereinsgarten in Pruhonitz auch noch vollständig vor Ausbruch des ersten Weltkrieges erreichten. Sein Interesse und seine Sammelleidenschaft galten jedoch nicht nur der Botanik. Er trug neben dem botanischen Material auch zoologische und ethnographische Objekte zusammen. Dies alles gab er in einer zweiten Sendung, die auf dem Seeweg befördert werden sollte, ebenfalls nach Österreich-Ungarn auf. Der mit dieser Fracht bestückte Dampfer „Koerber" des österreichischen Lloyd lief am 15. Juli, also noch in Friedenszeiten, aus Hongkong aus. In Port Said jedoch wurde der Dampfer von den Engländern, die am 5. August 1914 Deutschland den Krieg erklärt hatten, beschlagnahmt und nach Malta überführt [Anm.#125: Ob Schneider diese Fracht jemals wiedererhielt, ist fraglich.]. Diese unglückliche politische Entwicklung konnte Camillo Schneider zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht voraussehen.

Abb. 12: Steinbrücke in Yunnan, Aufnahme: C. Schneider [Anm.#126: C. Schneider 1916: Im fernen Westen Chinas. Westermann's Monatshefte, H. 6, 864-867. Photo: 863. Zu dieser Steinbrücke schreibt Schneider im o.g. Artikel: „Die Brücke ist ebenfalls ganz typisch und eine der besseren. Auf ihr stehen mein Grauer, ein prächtiges Muster der kleinen Yünnan-Pferde, die unübertroffene Bergsteiger sind. Rechts davon, mit der Flinte, mein Leibjäger Lau-Tschau, ein treuer, sehr intelligenter Moso, der außer seiner Muttersprache noch mehr oder minder Chinesisch, Hsisan, Tibetisch und etwas Lolo sprach. Er war einer der Leibdiener des erwähnten Mosoßrsten (Jussu) (...). Ganz rechts ist mein bester Sammler, ein Muster eines guten Chinesen, zu sehen, achtzehn Jahre alt, geschickt und gefällig wie nur einer. Sein Name: Tschau-ho."]

Ohne von den bevorstehenden Kriegswirren zu ahnen, setzten Schneider und Handel-Mazzetti ihre Reise wie geplant am 6. Mai 1914 in westlicher Richtung fort. Ihre Route führte sie über Hexi (Ho-si) zum Yalung-Fluß (Yalong) und weiter nach Yanyuan (Yen-yüan-hsien), wo sich in der Nähe berühmte Salzquellen befinden. Von hier wandten sie sich nach N an den Hof des Moso-Fürsten in Kua-pieh, wo sie den dortigen Urwald nach Pflanzen „durchforsteten". Vom Oberhaupt der Moso bekamen sie sicheres Geleit zugesichert. Die nächste Teilstrecke führte sie weiter nach Norden in die bei Molien am Yalong gelegenen Berge, die um die 5000 m hoch sind. Auf dem Weg dorthin durchquerten sie „den Goldgräberort Hua-li und drang zwei Tagesreisen weit in die unter tibetanischem Einflüsse stehenden Urwälder Li-tang vor". [Anm.#127: C. Schneider 1915: Ein Bericht. Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 6.] Anschließend reisten sie über Oti am Li-tang-Flaß wieder zurück nach Yanyuan. Von hier war es Schneider möglich, seine neuen Sammlungen nach Kunming zu schicken, wo er sie in sicherer Obhut wußte.



Abb. 13: Zeltlager Schneiders am Fuße des Lijiang auf 3500 m Höhe, Aufnahme: C. Schneider [Anm.#128: C. Schneider 1916: Im fernen Westen Chinas. Westermann's Monatshefte, 60. Jg., H. 6, 864-867. Photo: 861]

Vier Wochen dauerte die nächste Etappe, die sie von Yanyuan über Yung-ning und Yungscheng (Yung-pe-ting) nach Lijiang fu führte. Zwischen diesen beiden Orten lag eine Hochebene, die sie im Juni durchquerten. Über das Gebiet, dem er sich nun näherte, schrieb er 1920 voller Begeisterung:

„Als ich (...) zum ersten Male die von ewigem Schnee bedeckten Gipfel des Yü-lungshan, der Berge bei Lichiang (Lijiang), begrüßte, da beflügelten sich meine Schritte und mein Herz schlug voll neuer Erwartung. Nahte ich doch einem Punkt, der mit Recht als ein Pflanzenparadies bezeichnet werden kann. " [Anm.#129: C. Schneider 1920: Westchinesische Blütenschätze. Die Gartenschönheit, 1. Jg., 12.]

Am 5. Juli 1914 kamen sie schließlich in Lijiang-fu an. Lijiang, im NW von Yunnan gelegen, war die alte Hauptstadt des Volkes der Moso. Erst hier, an seiner neuen Postadresse, erreichte ihn-zusammen mit anderer Post-ein Telegramm aus Kunming mit der Nachricht, daß der Thronfolgers Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand, und dessen Gemahlin einem Attentat zum Opfer gefallen waren. Mit dem tragischen Tod Erzherzog Franz Ferdinands am 28. Juni 1914 in Sarajevo verlor die D.G. ihren bisherigen Schirmherren.

Missionar Kok von der niederländischen „Pentiwstal-Mission" hatte für Camillo Schneider und Baron von Handel-Mazzetti eine passende Unterkunft besorgt, in der sie sich häuslich einrichteten. Doch trennten sich hier die Wege der bisherigen Reisegefährten. Baron von Handel-Mazzetti setzte seine Expedition auf einer anderen Route fort als Camillo Schneider, der hier auf George Forrest traf und sich ihm anschloß. Von Handel-Mazzetti blieb weiter in China. Er veröffentlichte nach seiner Rückkehr ein mehrbändiges Werk [Anm.#130: Heinrich Frh. v. Handel-Mazetti u.a. 1929-1936: Simbolae Sinicae. Botanische Ergebnisse der Expedition der Akademie der Wissenschaften in Wien nach Südwest-China (1914/18). Wien.] und weitere Artikel über seine hier gewonnenen botanischen Erkenntnisse.

Der Brite Forrest logierte schon seit drei Jahren in dem Mosodorf Ulukay/Ugulehkeh, in dem sich Camillo Schneider ebenfalls einquartierte und Forrest in der nun folgenden Zeit als angenehmen Gesellschafter kennenlernte. Von Juli bis September blieb Schneider in dem kleinen Dorf, das in den Schneebergen nördlich von Li-chiang-fu lag. Das Dorf war etwa 3 km von der Stadt entfernt und befand sich am Fuß des ca. 6000 m hohen Hauptgipfels. Zu seinem Treffen mit George Forrest schreibt Camillo Schneider:

„Im Sommer 1914 hatte ich das Glück, in einem kleinen Dorfe am Südostfluß der Lichiangkette einige Wochen mit George Forrest zu verleben, wohl dem erfolgreichsten Pflanzensammler, der bisher in China tätig war. " [Anm.#131: C. Schneider 1923: Vorwort zu einem Artikel von G. Forrest. Die Gartenschönheit, 4. Jg., 152.]

Das Haus, das er nun zusammen mit seinen Mitarbeitern bzw. Dienern bezog, besorgte ihm Forrest. Forrest hatte dieses Gehöft früher selbst bewohnt, war aber inzwischen in ein etwas größeres Haus umgezogen. Camillo Schneider beschäftigte neben einem „Boy" und einem Koch noch sechs Sammler und zwei Pferdewärter, die alle, mitsamt den Pferden, in dem Haus unterkommen mußten. Für die Wirtsleute blieb daher kein Platz mehr, so daß sie ausziehen mußten. Neben diesen neun ständigen Bediensteten arbeiteten noch weitere Dorfbewohner im Laufe der Zeit als Sammler für Schneider. [Anm.#132: C. Schneider 1916: Im fernen Westen Chinas. Westermann's Monatshefte, 60. Jg., H. 6, 864-867.]

Seine Erwartungen hinsichtlich des Artenreichtums an Stauden und Gehölzen in dieser Gebirgsregion erfüllten sich für ihn sowohl an den schroffen Kalkhängen als auch auf den bewaldeten und mit Büschen bewachsenen Hängen des Vorgebirges zu seiner vollsten Zufriedenheit. Sechs Wochen lang wohnte er in dem Mosodorf, das in etwa 3000 m am Südosthang der Bergkette lag, „die nördlich davon von dem Yang tse kiang in mächtiger Schlucht durchbrochen wird". Von dem Dorf aus unternahm er „mehrere Hochtouren bis an die Vegetationsgrenze, die sich hier bis etwa 4800 oder bis fast 5000 m hoch hinaufzieht." [Anm.#133: C. Schneider 1920: Westchinesische Blütenschätze. Die Gartenschönheit, 1. Jg., 12.]





Abb. 14: „Mosomädchen in Festtracht", Aufnahme: C. Schneider [Anm.#134: C. Schneider 1916: Im fernen Westen Chinas. Westermann's Monatshefte, 60. Jg., H. 6, 864-867. Photo: 858.]



Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Als Camillo Schneider diese Nachricht erreichte, beschloß er, trotzdem weiter in China zu bleiben. Am 1. August folgte im Gegenzug auf die russische Mobilmachung die deutsche Kriegserklärung an Rußland, zwei Tage später an Frankreich. England erklärte daraufhin ebenfalls den Krieg an Deutschland und Österreich-Ungarn. Damit waren alle in China präsenten europäischen Staaten in den beginnenden Krieg involviert. Doch da Schneider „im Beginn als Landsturmmann gar nicht aufgeboten war" [Anm.#135: C. Schneider 1915: Ein Bericht. Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 7.38], sah er sich durch den Krieg nicht dazu veranlaßt, seinen Aufenthalt in Yunnan vorzeitig abzubrechen. Außerdem erschwerten die sich nun rapide ändernden politischen Verhältnisse eine Heimreise. Der Weg über Tongking oder Burma war nun verschlossen. Camillo Schneider hätte eine Über-landreise von drei Monaten antreten müssen, um die damals noch unter deutscher Kontrolle stehende Kolonie Tsing-tau zu erreichen [Anm.#136: Tsing Tau wurde übrigens sehr bald nach Kriegsanfang von den Japanern okkupiert.], von wo er dann die Reise nach Europa hätte antreten können. Sinnvoller erschien es ihm daher, seine Expedition wie geplant fortzusetzen.

Ende Juli begann die Regenzeit, wodurch Camillo Schneider bis zu ihrem Abklingen gegen Mitte Oktober immer wieder bei seinen Sammeltouren Einschränkungen in Kauf nehmen mußte. Ende September hatte er trotz der widrigen Witterungsverhältnisse „gegen 350 Nummern beisammen" [Anm.#137: C. Schneider 1915: Ein Bericht. Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 7.]



Abb. 15: „Reismarkt in Talifu", Aufnahme: C. Schneider [Anm.#138: C. Schneider 1916: Im fernen Westen Chinas. Westermann's Monatshefte, 60. Jg., H. 6, 865.]

In Lijiang ließ er nun seinen „besten Sammler", einen achtzehnjährigen Chinesen namens Tschau-Ho [Anm.#139: Tschau-Ho zog sich bei seiner eifrigen Sammeltätigkeit durch Kontakt mit einem giftigen Sumachge-wächs einen Hautausschlag zu, der selbst bei Schneiders Abreise aus Yunnan noch nicht abgeklungen war.], zusammen mit zwei weiteren Leuten zurück und brach selbst mit dem Rest der Karawane ins Gebirge bei Dali (Talifu) auf. Am 1. November folgte ihm Tschau-Ho mit einer Ausbeute von weiteren 300 Nummern nach. Weitere Unternehmungen hinsichtlich des Sammeins von Sämereien wurden durch den Einbruch des Winters unmöglich, der dort in einer Höhe von 4000 m im November einzusetzen pflegt und alles mit einer geschlossenen Schneedecke überzieht. Camillo Schneider war mit der Ausbeute zufrieden und beendete daher quasi den offiziellen Teil der Reise, deren Zweck ja das Zusammentragen auch in Mitteleuropa kulturfähiger Pflanzen war. Er ließ nochmals zehn Tragtiere mit einer Last von 20 Kisten nach Kunming bringen.

Ihn selbst zog es ins Mekong- und Salween-Gebiet im Westen von Dali (Tali). Im Sal-weental erwartete ihn nach den zumeist kahlen Bergrücken am Mekong eine noch dichte subtropische Vegetation. Hier begegnete er Angehörigen der Schan, die seiner Ansicht nach in sehr ärmlichen Hütten aus Bambus ,ßhne jede Zier" wohnten.[Anm.#140: Ebd., 875.] Den Mekong überquerten Schneider und seine Karawane bei dem Schan-Dorf Sukiang. Am späten Abend des 26. Novembers 1914 erreichten sie den flußaufwärts gelegenen Ort Lantschei. Mit nur zwei Begleitern machte sich Schneider am folgenden Tag auf „zur Wasserscheide zwischen Salween und Swehli, einem Nebenflusse des Irrawadi". [Anm.#141: Ebd., 876.] Dabei mußten sie sich durch dichten subtropischen Urwald schlagen und steile Hänge erklimmen. Den Ratschlag, dieses Gebiet aufzusuchen, hatte Schneider von Forrest erhalten. Schneider war dann auch von der so völlig anders gearteten Flora begeistert:

„Es war ein mühsames Klimmen durch subtropischen Urwald, dessen üppige Pflanzenwelt so ganz verschieden von der ist, die ich bisher kennengelernt hatte. " [Anm.#142: Ebd., 876.]

Der Rückweg führte ihn auf „ziemlich schwierigen Pfaden südlich vom Hauptkarawanenwege über Tsching-tung-ting (Jing dong) und Yimen-hsien (Yimen)" [Anm.#143: C. Schneider 1915: Ein Bericht. Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 7.] nach Kunming. Um dem drohenden Wintereinbruch zuvorzukommen, mußten sie ein schnelles Tempo einschlagen. Nach anstrengenden Eilmärschen traf er schließlich zusammen mit den ersten Schneefällen am 23. Dezember 1914 in Kunming ein, wo er die Weihnachtstage bei einer deutschen Familie namens Stiebritz verbrachte.



5.3 1915: Aufbruch nach Amerika

Die Nachrichten, die nun aus Österreich-Ungarn eintrafen, waren nur spärlich und „durchaus nicht allzu günstig". [Anm.#144: Ebd., 7.] Nach der ursprünglichen Reiseplanung hätte Camillo Schneider von Hongkong aus die Heimreise angetreten. Daher hatte er in Hongkong das für die Rückreise bestimmte Geld bei Deutschen in vermeintlich sichere Verwahrung gegeben. Bei Kriegsbeginn wurde dieses Geld jedoch von der Britischen Krone beschlagnahmt.

Schneider wollte nicht, durch die Kriegswirren relativ abgeschnitten von Europa und der übrigen Welt, auf unbestimmte Dauer in Yunnan bleiben. [Anm.#145: Seine früheren Reisegefährten, Baron von Handel-Mazzetti und George Forrest, reisten über den Himalaya weiter nach Indien (S. B. Sutton 1970: Charles Sprague Sargent and the Arnold Arboretum. Harvard University Press : Cambridge, Mass. 255).] Die ihm verbliebenen Mittel nutzte er dazu, seine Rückreise in die Wege zu leiten. Durch Unterstützung des k.u.k. Gesandten in Peking bekam er die Gelegenheit, den Yangtse abwärts bis nach Shanghai zu fahren, von wo er weiter nach Amerika reisen wollte, das bisher noch nicht aktiv in das Kriegsgeschehen eingegriffen hatte. Am 7. Januar 1915 verließ er daher Kunming mit einer Karawane von 10 Tragtieren, beladen mit diversen Photos, Sämereien und seinen Reiseutensilien. Kunming behielt er als gastliche Stadt in Erinnerung, wo auch der Rest seiner Sammlungen gut verpackt verblieb und einer Ungewissen Zukunft harrte.

Um sich einschiffen zu können, mußte er jedoch erst einmal den Yangtse erreichen. Dazu bedurfte es einer 22 Tage dauernden Landreise, die ihn „über Tong-tschuan-fu (Dongchuan) und Tschau-tung-fu (Zhaotong) nach Sui-fu (Yibin) am Yangtze" [Anm.#146: Ebd., 8.] führte. Von dort aus erreichte er per „Dschonke" und Dampfer am 1. März 1915 Shanghai. Zwar wurde Schneider hier zunächst arrestiert, durfte dann aber doch die Weiterreise in die neutralen Vereinigten Staaten antreten. Reisende feindlicher Nationalität, die auf amerikanischen Schiffen reisten, wurden von den Japanern nicht behelligt. Daher schiffte sich Camillo Schneider in Shanghai auf einem amerikanischen Dampfer ein, dessen Fahrtroute über Japan und Honolulu nach San Francisco führte. Zu seinem Mißfallen durfte er in Japan jedoch nicht an Land gehen, sondern „wurde auf dem Schiffe von gelben Geheimpolizisten streng bewacht". [Anm.#147: C. Schneider 1915: Ein Bericht. Mitteilungen der D.G., Bd. 3, 8.1915-1919: Dendrologische Arbeiten in Amerika 41 ]

[Kapitel 6]